Sie will, dass Frauen strahlen
Elegant, mit eigenwilligen Akzenten – das ist der Stil von Helga Maria Schatzlmayr-Beck. −F.: Kuhnt
Hofkirchen
Helga Maria Schatzlmayr-Beck (59) entwickelt Mode. Sie nennt das nicht schneidern, entwerfen oder designen – sie nennt es entwickeln. Warum, das offenbart ein Besuch in ihrer Manufaktur in Leithen bei Hofkirchen. Keine Ständer mit Stoffballen, kein Werkstatt-Chaos, stattdessen Aufgeräumtheit überall. Bodentiefe Fenster zum Donautal. Viel Licht. Viel Weiß. Viel Raum, um etwas völlig Neues zu kreieren. Ihre Kundinnen sollen von ihren Kleider-Wünschen und -Bedürfnissen erzählen können, ohne dass sie von etwas beeinflusst werden, was schon da ist, sagt Helga Maria Schatzlmayr-Beck.
Wie die Trends der Branche entstehen, hat sie zwar studiert. Ihnen zwangsläufig zu folgen, interessiert sie aber weniger. Sie sieht ihre Aufgabe vielmehr darin, mit ihren Kundinnen einen individuellen Stil zu entwickeln. „Ich filtere immer das Schöne der Schöpfung heraus. In der Natur und auch bei den Menschen. Das will ich betonen. Ich setzte die Schönheit der Frauen in Szene“, erklärt Helga Schatzlmayr-Beck. Das war schon lange ihre Vision. Dass diese Wirklichkeit wird – und noch dazu in Hofkirchen – war in ihrer ersten Lebenshälfte allerdings kaum denkbar.
1961 in Vilshofen geboren, wächst die Tochter eines Architekten und einer kaufmännischen Angestellten zusammen mit vier Geschwistern auf. Durch ihren Vater kommt sie früh in Berührung mit Kunstgeschichte, Formen, Farben, Materialien, mit Schönheit an sich. Mit der Fachhochschulreife in der Tasche schlägt sie sie eine Ausbildung zur Fachlehrerin für Hauswirtschaft und Handarbeit ein, studiert in Nürnberg Pädagogik. Ab 1984 arbeitet sie als Fachlehrerin, heiratet und bekommt zwei Töchter. Sie lebt mit ihrer Familie in Passau. Ihren Kindern ein Zuhause voller Geborgenheit zu geben, ist ihr vorderstes Ziel. Dass ihr Beruf sie nicht mehr erfüllt, dass sie vor Schaufenstern wie angewurzelt stehen bleibt, elektrisiert von der Frage, wie man dieses oder jenes Kleid für verschiedene Frauentypen und Körperformen noch individueller gestalten könnte, beachtet Helga Schatzlmayr lange nicht.
2005 dann der Einschnitt: Ihre Ehe zerbricht – und Helga Schatzlmayr beschließt, auch beruflich ihrem Herzen zu folgen. Mit Unterstützung ihrer Töchter und ihrer Mutter bewirbt sie sich bei der Deutschen Meisterschule für Mode in München. Sie wird genommen. Im Alter von 46 Jahren lässt sie sich zur staatlich geprüften Modegestalterin ausbilden, erwirbt zugleich den Meistertitel für Damen- und Herrenschneider – und gewinnt schon während des Vollzeitstudiums einen Design-Preis von BMW.
Dafür nimmt Helga Maria Schatzlmayr so manches in Kauf. Zwei Jahre lang wohnt sie wochentags in einer zwölf Quadratmeter kleinen Kammer. Ihre Kommilitoninnen könnten ihre Töchter sein. „Was wollen Sie hier?“, fragt ein strenger, russischer Lehrer sie zu Beginn. „Sie könnten ja schon in Pension gehen!“ Helga Maria Schatzlmayr ärgert sich, schläft eine Nacht darüber – und erklärt ihm dann, sie wolle von ihm lernen, dafür brauche sie ihn. Von da an ist er auf ihrer Seite.
„Mut kennt kein Alter. Es gibt immer einen Weg. Den bin ich gegangen und habe es nie bereut“, erzählt Helga Schatzlmayr. Nach dem Studium macht sie in Passau zweigleisig weiter. Die Teilnahme am Schaufensterwettbewerb der Europäischen Wochen verhilft ihr zu größerer Bekanntheit. In der Stadtgalerie präsentiert sie, „wie Mode entsteht“ – und erntet ein positives Presse-Echo. Sie erhält erste Aufträge, ist auf Modeschauen und Hochzeitsmessen vertreten, eröffnet 2014 ein eigenes Atelier in der Bahnhofstraße in Passau. Bald kann sie vom Modemachen leben.
2017 spricht sie beim Ladies Day im Porsche Zentrum Landshut vor knapp hundert Frauen über die Parallelen im Entwickeln von Sportwägen und Mode – inspiriert von dem neuen Mann an ihrer Seite. Der Ingenieur Karl Beck ist mit seiner Landshuter IT-Firma weltweit in der Automobilbranche tätig. Angelehnt an Porsche, entwickelt Helga Maria Schatzlmayr-Beck aus hochwertigen Stoffen ein figurbetontes Multifunktionskleid, das sie sich patentieren lässt. Ein Reißverschluss hier, und einer da, und schon wird eine Schößchenjacke draus, die „frau “ perfekt zu einer Hose kombinieren kann. Ihre Kreationen sollen nicht nur handwerklich einwandfrei und formschön sein, sondern auch nachhaltig, einfallsreich und praktisch. Für einen maßgeschneiderten Rock oder eine Bluse zahlen Kundinnen etwa 190 Euro, für einen gefütterten Mantel aus Schurwolle 600 bis 700 Euro. Die Preise richten sich stark nach der Stoffqualität. Wie bei einem Wagen müsse zudem der „Unterbau“ stimmen, sagt Helga Maria Schatzlmayr-Beck – und gibt ihren Kundinnen Tipps zur Wäscheauswahl.
Weil sie und ihr Mann sich einen gemeinsamen Platz wünschen, an dem beide kreativ arbeiten können, suchen sie ein Grundstück für ein Haus. Irgendwo zwischen München und Passau soll es sein. Es wird Hofkirchen. „Ich habe 30 Jahre in Passau gelebt. Dass ich zurück in die Gegend von Vilshofen komme, wo ich geboren bin, hätte ich nie gedacht“, sagt Helga Maria Schatzlmayr-Beck und lacht.
Ihre Kundinnen hat sie in der Umgebung und bis München. Von der Geschäftsfrau bis zur Schülerin ist alles dabei. Wenn Helga Maria Schatzlmayr-Beck in ihrem Atelier eine Dame empfängt, lässt sie diese erst einmal erzählen. Um die Stimmung und die innere Einstellung festzuhalten, die das gewünschte Kleidungsstück ausdrücken soll, fertigt die Modeschöpferin eine Collage aus Skizzen, Fotoimpressionen und Zeitungsausschnitten an. Sie analysiert die Körperform der Kundin, hält in Mappen unzählige Stoffmuster zum Ansehen und Anfassen bereit. Sie zeichnet verschiedene Entwürfe, entwickelt den Maßschnitt, bestellt Stoffe, steckt das Kleidungsstück ab, lässt es die Kundin anprobieren und dann von ihrer Schneidermeisterin nähen. Wenn das Kleid am Ende perfekt sitzt, wenn sich die Kundin darin nicht nur wohlfühlt, sondern ihre innere und äußere Schönheit neu entdeckt, fühlt sich Helga Maria Schatzlmayr-Beck genauso reich beschenkt.
Würde sie ihr Leben malen: das Bild wäre bunt. Ihre innere Haltung in Farben: Pink und Orange. In Geräuschen: ein Lachen, ein gutes Gespräch. Was hinter all dem steht: ihr Glaube. „Der Herrgott hat wollen, dass wir glücklich sind, dass jeder in seinem Leben dort hin geht, wo er hin soll. Die Schöpfung ist großartig. Und so sollen wir uns begegnen. In Liebe“, sagt Helga Maria Schatzl-mayr-Beck. Was sie zur Eröffnung ihres Ateliers in die Welt rufen will: „Frauen, ihr sollt alle strahlen.“
ATELIER-ERÖFFNUNG Die kommenden beiden verlängerten Wochenenden können sich Frauen mit Begleitung zu unterhaltsamen Atelierbesuchen anmelden. Bei Häppchen und Prosecco dreht sich alles um die Themen Mode und Inspiration. Do, Fr, Sa, So, jeweils von 16 bis 20 Uhr. Infos unter www.schatzlmayr.de. — Simone Kuhnt
Quelle: pluspnp.de —− Bernhard Brunner
Mehr im Vilshofener Anzeiger vom 08.09.2020 oder unter PNP Plus nach einer kurzen Registrierung