„Gebührenerhöhung ist politische Entscheidung, kein Muss“
Hofkirchen
Das Kanal-Defizit in Millionenhöhe und die Neu-Kalkulation der Gebühren für Hofkirchen und Garham ist das Thema in der Marktgemeinde. Jetzt meldet sich Christian Höllring zu Wort. Sie war von 2015 bis 2018 die Kämmerin in Hofkirchen.
„Durch eine fehlerhafte Kalkulation soll ein Defizit von rund einer Million Euro aufgelaufen sein. Um dies besser einschätzen zu können, sollte man sich zuerst die Kalkulationszeiträume anschauen“, sagt sie und blickt zurück: Die letzte Kalkulation wurde 2016 erstellt. Hier wurden die Gebühren ab 1. November 2015 erhoben. Die Beanstandung des überörtlichen Rechnungsprüfers folgte im Jahre 2017 – also nach der Kalkulation. „Diese hätte dann in 2020 vom derzeitigen Kämmerer eingearbeitet werden müssen. Eine neue Kalkulation hätte spätestens in 2020 mit Gebührenerhebung ab 1. November 2019 erstellt werden müssen, was offensichtlich nicht erfolgt ist“, so Christiane Höllring. Und weiter: „Bei einer stark fehlerhaften Kalkulation hätte der Rechnungsprüfer eine sofortige Neukalkulation angeordnet. Dies war in 2012 schon einmal der Fall.“
Beanstandet wurden vom Rechnungsprüfer in 2017 – aus Sicht der damaligen Kämmerin zurecht – die langen Abschreibungszeiträume, die zu Beginn der Gebührenerhebung in den 1970-er Jahren festgelegt wurden. Allerdings stellt sie klar: „Hierdurch geht kein Geld verloren, da die Summe nur über einen längeren Zeitraum in den Haushalt zurückgeführt wird.“
Wo kommt aber dann das vermeintliche Defizit her? „Es gibt, wie in Unternehmen auch, unterschiedliche Rechenarten“, erläutert Christian Höllring. Gemäß Art. 8 Abs. 3 S. 2 KAG seien den Abschreibungen entweder die Anschaffungs- und Herstellungskosten oder Wiederbeschaffungszeitwerte zugrunde zu legen. Bis 31. Juli 2013 wären rechtlich ausschließlich die Abschreibungen nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten erlaubt gewesen. Danach habe man als Gemeinde die Wahl gehabt, für welche der vorgenannten Abschreibungsmethode man sich entscheidet; die für den Bürger teureren Wiederbeschaffungszeitwerte oder die bisherige Methode.
„Hofkirchen war zumindest zum damaligen Zeitpunkt eine finanziell gut gestellte Gemeinde. Bisher hatte man die kalkulatorische Abschreibung auf das Anlagevermögen der Entwässerungsanlagen von den tatsächlichen Kosten genommen. Nun hat die Gemeinde auf Wiederbeschaffungszeitwerte umgestellt“, erklärt sie. Bei der Preisentwicklung sei es nicht verwunderlich, dass die Kosten heute viel höher seien als in den letzten 40 Jahren. „Das Ingenieurbüro selbst spricht von einst 11,5 Millionen Euro Herstellungskosten, die heute 20 Millionen Euro Wert sind. Die kalkulatorische Abschreibung leitet sich direkt aus diesen Werten ab. So kommen dann auch viel höhere Abschreibungen sowie höhere kalkulatorische Zinsen zustande“, sagt Christiane Höllring.
Außerdem seien laut Aussage des Ingenieurbüros nur 36 Prozent der Belege gefunden worden. „Der Rest des Anlagevermögens wurde zu den Wiederbeschaffungskosten nach der Indexmethode geschätzt. Das heißt: Die Kosten sind in dieser Höhe tatsächlich nie entstanden. Rechtlich möglich, aber kein Muss“, so die damalige Kämmerin. Wenn alte Rechnungen nicht gefunden oder gar nicht erst gesucht würden, fahre man mit dem Wiederbeschaffungswert deutlich besser, wenn man die Gebühr in die Höhe treiben wolle. „Was man den Bürgern aber verschwiegen hat – bewusst oder aus Unwissenheit sei dahingestellt: Die Abschreibung vom Wiederbeschaffungswert zu nehmen ist eine Wahl-Option, die vor allem klamme Gemeinden ziehen“, weiß sie. Dass eine schuldenfreie Gemeinde diese Wahl-Option in Anspruch nehme und die Bürger hier mit einer enormen Gebührenerhöhung belaste, sei eine politische Entscheidung, kein Muss. „Den schwarzen Peter jetzt den Vorgängern in die Schuhe zu schieben, ist mehr als dreist“, so Christiane Höllring.
Sie räumt ein, dass es viele mögliche Fehlerquellen bei Kalkulationen gebe, vor allem bei komplexen Sachverhalten. „So wurde wohl auch der abgelaufene Kalkulationszeitraum der Gebührensatzung für Kanal Hofkirchen, Kanal Garham und letztlich auch die Wasserversorgung übersehen. Diese wären zum 1. Januar 2020 zu kalkulieren gewesen. Es wurden zum 01.07.2020 für die genannten 3 Einrichtungen neue Satzungen mit den alten Gebühren – kalkuliert zum 1. November 2015 – ohne jegliche Kalkulation erlassen. Die Kalkulation der Wasserversorgung steht selbst jetzt noch aus“, erklärt sie. Zudem wurden die neuen Gebührensatzungen rückwirkend zum 1. Januar 2021 erlassen. Fraglich sei hier, ob die Gemeindeverwaltung im Dezember 2020 die Zähler der Bürger ablesen ließ.
„Und zu guter Letzt will noch gesagt sein, dass das Ingenieurbüro bestimmt einen mittleren fünfstelligen Eurobetrag gekostet haben könnte, der 1:1 in die Gebühr einfließen muss“, so Christiane Höllring. Bei rund 130000 m³ Schmutzwasser in Hofkirchen und Garham ergebe dies alleine bei einer Kalkulationszeit über vier Jahre eine Gebührenerhöhung von fast 10 Cent pro Kubikmeter Abwasser (50000 Euro/4 Jahre = 12500 € / 130000 m³ = 9,6 Cent je Kubikmeter Abwasser; die Zahlen seien geschätzt).
„Falls es wirklich ein Defizit in den letzten 15 Jahren gegeben hätte, müsste dieses im Falle der Fahrlässigkeit die Kassenversicherung tragen, aber niemals der Bürger. Die jetzt stark gestiegene Gebühr liegt zum Großteil an der Umstellung der Abschreibungsmethode auf Wiederbeschaffungszeitwerte nach dem Indexverfahren. Diese Umstellung bei einer gesunden Gemeinde hätte es bei der früheren Verwaltung nicht gegeben“, ist Christiane Höllring überzeugt.− va
Quelle: pluspnp.de —−va
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