Es geht aufwärts: Nach dem Großbrand in Hofkirchen wächst der erste Neubau
Ein halbes Jahr ist vergangen, seitdem ein Feuer in der Hofkirchener Ortsmitte gewütet hat. „Hier sind wir gesessen“, sagt Martina Binder und nimmt auf dem Bankerl Platz, von dem aus sie beobachten musste, wie ihr Haus ein Raub der Flammen wurde.
Es war frühmorgens am Ostermontag. Martina Binder hört ein Knacken. „Was ist da los?“, fragte sich die 56-Jährige und öffnete die Gardinen. „Es war alles orange. Feuer überall.“ Sie weckte rasch ihren Mann Hans-Peter, der nur ein paar Tage vorher eine Gehirn-OP hatte, und rannte ins Obergeschoss, um Tony, ihren Sohn, zu wecken. „Es ging alles brutal schnell. Die Fenster sind schon gesprungen. Es war so heiß“, erzählt Martina Binder. Derweil hatte sich ihr Mann mit seinem Rollator vor die Tür geschleppt und wartete ums Eck auf die Feuerwehr.
Die Erleichterung war groß, als klar war, dass alle drei es geschafft haben, raus zu kommen. „Ich hab’ den Feuerwehrlern sogar noch die Haustür aufgesperrt“, erinnert sich Hans-Peter. „Ich meinte noch, wenn was dreckig wird, dann streichen wir halt…“
Grillkohle war die Ursache
Aber es kam schlimmer: Fünf Häuser wurden damals in der Ortsmitte von Hofkirchen zerstört, ein weiteres schwer beschädigt. Ursache war laut Polizei Grillkohle. Demnach sollen Mieter nebenan am Ostersonntag im Innenhof gegrillt und den Grill gleich gesäubert haben. Einer der Bewohner füllte die noch heiße Asche in eine Tonne, die sich entzündete.
Einsatzleiter selbst betroffen
Über einen Schuppen griffen die Flammen auf die Nachbarhäuser über. 200 Feuerwehrler rückten aus. Einsatzleiter war Julian Binder, der Sohn von Hans-Peter, der den Einsatz am Haus seines Vater koordinieren musste – auch das machte Schlagzeilen. „Er hat das super gemeistert“, betont sein Vater noch einmal.
Rohbau steht
Nach dem Feuer standen Hans-Peter (52), Martina (56) und Tony (24) plötzlich vor dem Nichts. Doch es ging wieder aufwärts – im wahrsten Sinne des Wortes. Wo vor einem halben Jahr nur noch Schutt und Asche war, steht jetzt ein Rohbau. „Es läuft zügig. Landratsamt, Gemeinde, Versicherung – alle haben sich bemüht, dass wir zügig voran kommen“, lobt Hans-Peter Binder.
Bisher keine weiteren Baunträge
Anträge der Brandgeschädigten werden von der Gemeinde sowie vom Landratsamt bevorzugt behandelt, versichert Bürgermeister Josef Kufner, der froh über den Fortschritt ist. Bisher lägen der Gemeinde aber keine weiteren Bauanträge in Bezug auf den Brand vor.
Vorfreude auf gemütliche Abende
Im April wollen die Binders in den Neubau einziehen. Das Paar freut sich schon auf gemütliche Abende im neuen Eigenheim. „Wir sind gut bei Bekannten untergekommen, aber ,dahoam is dahoam‘“, sagen Martina und Hans-Peter. Außerdem würden die Nachbarn auch schon fragen, wo sie blieben. Jeden Tag schaut Hans-Peter Binder, der beim Bauhof arbeitet, auf der Baustelle vorbei, freut sich: „Es läuft alles anstandslos.“
Noch vieles zu regeln
Nicht so reibungslos läuft es hingegen bei Binders Mutter, die im Haus nebenan wohnte. Ihre Versicherung finde, dass man das Haus renovieren könne. Hans-Peter Binder sieht es anders: „Es ist alles nass und modrig. Das gehört abgerissen.“ Noch ist vieles zu regeln. Aber inzwischen können die Binders auch wieder lachen – wenn sie an den Fernseher denken, der quasi unbeschädigt mitten in der Ruine stand oder an den ersten Einkauf nach dem Brand: „Wo fängt man da an?“, so Martina Binder, „Haarbürste, Zahnpasta… wir haben alles gebraucht“. Die Solidarität in Hofkirchen und darüber hinaus war riesig. Es kamen Geld- und Sachspenden, um den Neustart zu erleichtern.
Bilder sind noch im Kopf
Aber so ganz los lässt die Familie das Geschehene nicht, besonders Martina kämpft noch mit den Erinnerungen. „Die Bilder kommen immer wieder hoch“, erzählt sie. Kerzen traut sie sich nicht mehr anzünden. „Wir schauen auch immer, ob alles ausgesteckt ist“, erzählen die beiden. Übrig blieb nach dem Brand nur das, was sie am Leibe trugen – „das Hochzeitsalbum haben wir wieder gefunden, fast unbeschädigt“, erzählt Martina und strahlt. Und Hans-Peter ist froh, dass er seine geliebte Feuerwehr-Uniform retten konnte.
„Das Beste draus machen“
Bis 2023 war er Kommandant der Feuerwehr Hofkirchen, konnte das Geschehen dank seiner 40-jährigen Feuerwehr-Laufbahn leichter verarbeiten. Er weiß: „Irgendwann kommt der Punkt. Dann realisiert man, was passiert ist und dass man nur das Beste draus machen kann.“ Sogar in der Brandnacht war der routinierte Feuerwehrler, inzwischen Ehrenkommandant, nicht aus der Ruhe zu bringen. „Ich war der ruhigste Brandgeschädigte, den sie je gehabt haben“, erinnert sich Hans-Peter an die Worte seiner Feuerwehr-Kameraden. In der Zeit nach dem Brand sei er dann richtig auf Zack gewesen. „Das Ganze hat irgendwie dazu beigetragen, dass ich schneller wieder fit werde.“
Keine vorsätzliche Tat
Die Ermittlungen gegen den Entsorger der Grillkohle laufen noch, wie das Polizeipräsidium Niederbayern mitteilt. „Es lag kein Vorsatz vor“, sind sich die Ermittler sicher.
Entschuldigung für Seelenfrieden
Gehört haben die Binders vom Verursacher bisher nichts. „Eine Entschuldigung hätte zu meinem Seelenfrieden beigetragen“, meint Martina Binder.
Hans-Peter Binder mit seinem Sohn Julian und seiner Frau Martina.
Quelle: pnp.de —−− Katja Elsberger
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