Drei SPD-Markträte lehnen Gebühren-Erhöhung ab
Nach langen Diskussionen hat der Marktrat bei drei Gegenstimmen die Änderung der Beitrags- und Gebührensatzungen zu den Entwässerungseinrichtungen Hofkirchen und Garham (Foto) beschlossen. Zum Defizitausgleich müssen die Bürger nun deutlich mehr zahlen. −Foto: Brunner
Hofkirchen
Mit Kopfschütteln quittierte Kämmerer Michael Rieger das Abstimmungsverhalten von drei SPD-Markträten zur neuen Beitrags- und Gebührenkalkulation für die Entwässerungseinrichtungen Hofkirchen und Garham. Massive Anhebungen sind nötig, um das in den zurückliegenden Jahren aufgelaufene Defizit von knapp einer Million Euro auszugleichen. Christian Pauli, Petra Söldner und Katrin Wagenpfeil votierten gegen die Erhöhung, obwohl Rieger nach der Haupt- und Finanzausschuss-Sitzung eine Woche zuvor – zusammen mit dem sachverständigen Ingenieur Klaus Peter Gaul aus Bamberg – erneut die Unerlässlichkeit dieses Schrittes auf Drängen der überörtlichen Rechnungsprüfung verdeutlicht hatte.
Vor Eintritt in die Tagesordnung mit dem heiklen Thema an erster Stelle äußerte Christian Pauli den Wunsch, etwas richtigzustellen, und begann mit der Verteilung eines von ihm verfassten Schriftstücks. Darin begründete er, wie der Marktgemeinderat 2015 dazugekommen sei, die Gebühren zu senken. Nach seinen Ausführungen ist damals bei den Einnahmen aus den Kläranlagen Hofkirchen und Garham ein Plus von rund 20000 Euro angefallen, weshalb für Hofkirchen der Satz gesenkt und für Garham – mit immer schon höheren Kosten – erhöht worden sei.
Bürgermeister Josef Kufner (CSU) stieg in die Behandlung des Tagesordnungspunktes ein und verwies auf die Neukalkulation auf Basis eines in Abstimmung mit dem Landratsamt Passau festgelegten Zinses von 2,25 Prozent. Es hätten sich neue Gebühren nach der Finanzausschusssitzung ergeben, so Kufner.
Verwundert angesichts des von Christian Pauli verteilten Papiers zeigte sich der Kämmerer. Er habe vergangene Woche in aller Ausführlichkeit und Deutlichkeit dargelegt, dass kostenrechnende öffentliche Einrichtungen weder Überschüsse noch Verluste erwirtschaften dürfen. Es handle sich sonst um eine versteckte Verschuldung im Haushalt, wenn, wie seit 2011 in Garham der Fall, eine Unterdeckung entstanden sei. Die von Pauli genannte Summe von 120000 Euro für die Kläranlage Hofkirchen sei eine Rücklage gewesen, auf die nicht zugegriffen werden dürfe. Die von dem SPD-Fraktionsvorsitzenden verwendeten Zahlen hielt Rieger für „völlig aus der Luft gegriffen“. Nicht umsonst habe er sich im Finanzausschuss drei Stunden lang „den Mund fransig geredet“, und schließlich sei Klaus Peter Gaul als Gutachter eigens 600 Kilometer dazu angereist.
„Mit gutem Gewissen so entschieden“ zu haben, nicht wissend, „was die Folgejahre passiert“, beteuerte Christian Pauli, nachdem man im Marktgemeinderat seinerzeit die Zahlen so vorgelegt bekommen habe. „Dafür sind wir nicht ausgebildet“, versuchte er die Entscheidungsträger
„Irgendwann kommt die Rechnung“
in Schutz zu nehmen. „Es ist ein Minus aufgelaufen, das hätte man so sehen müssen“, konterte Michael Rieger, seit 2019 als Kämmerer im Hofkirchener Rathaus tätig. „Irgendwann kommt die Rechnung“, merkte er ergänzend an und gab zu bedenken, dass das Defizit von einer Million Euro ohnehin nicht vollständig vom Gebührenzahler zurückgefordert werden könne. Sein Fazit: „Es ist ein Vermögensschaden im mittleren sechsstelligen Bereich entstanden.“ Die Neukalkulation sei das Maximale, was man den Bürgern an Zahlung zumuten könne, so Rieger.
Der Kämmerer korrigierte zudem Feststellungen, die der frühere Bürgermeister Willi Wagenpfeil (SPD) in einem Leserbrief gemacht hatte. Ingenieur Klaus Peter Gaul, von dem der Anlagennachweis für den Markt Hofkirchen als Grundlage für die Neukalkulation stammt, führe sein Ingenieurbüro seit 25 Jahren und erarbeite gerichtsfeste Nachweise. Rieger vertrat die Auffassung, dass sich der Bürger eher fragen müsse, warum er die letzten 15 Jahre so wenig bezahlt habe. „Jetzt liegt es an der Verwaltung und am Marktrat, alles sauber abzuarbeiten, zu beschließen und es in Zukunft richtig zu machen“, so der Kämmerer. Der Bürgermeister würdigte sein mehrmonatiges Engagement in dieser Sache und forderte Applaus aus der Runde dafür ein.
„Wir werden’s in vier Jahren aufgearbeitet haben“, prognostizierte der Bürgermeister, ehe Petra Söldner Corona-bedingt für eine Streckung des Kalkulationszeitraums auch für Hofkirchen
Laufende Investition: Kosten stehen noch nicht fest
auf vier Jahre plädierte. Wegen der gegenwärtigen Arbeiten an der dortigen Kläranlage samt Anschluss ans Kanalnetz der Stadt Vilshofen seien nur zwei Jahre als Maximum möglich, entgegnete der Kämmerer. Man habe bewusst die Regelung zwei plus zwei Jahre gewählt, weil die Kosten der laufenden Investitionen noch nicht ermittelbar seien, warf Kufner ein.
Laut Aussage von Michael Rieger sind im Bedarfsfall mit entsprechender Begründung sehr wohl Stundungen der Beiträge und Gebühren möglich. Das habe es auch in der Vergangenheit gegeben. Der Kämmerer ließ auf ein Nachhaken von Christian Pauli hin wissen, dass jederzeit ein Informationsangebot seitens der Verwaltung bestanden habe. Kufner machte zudem auf das umfangreiche Info-Material aufmerksam.
Matthias Braidt (CSU) kritisierte die fehlende Reaktion auf den „Warnschuss“ der überörtlichen Rechnungsprüfung von 2016: „Das verstehe ich nicht.“ Katrin Wagenpfeil – ihr Vater war bis 2020 Bürgermeister und verfolgte die Diskussion als Zuhörer – meinte, beim Blick auf die seinerzeitigen Zahlen, nachvollziehen zu können, „dass 2016 so entschieden wurde“. Dies sei nur die halbe Wahrheit, kommentierte der Kämmerer diese Äußerung. Günter Troiber (ÜW) wollte wissen, ob das Ratsgremium Berichte der überörtlichen Rechnungsprüfung zur Verfügung gestellt bekommt. „Das ist zwingend“, antwortete Michael Rieger, was dritter Bürgermeister Georg Stelzer (ÜW) bestätigte: „Wir hatten natürlich Einsicht in die Berichte.“
Nach den fälligen Beschlüssen – die neuen Sätze sind identisch mit den bereits im Haupt- und Finanzausschuss festgelegten Beträgen (der VA berichtete ausführlich) – wollte sich Franz Saugspier als Zuhörer unter dem Punkt „Bürgeranfragen“ noch zu der Thematik äußern. Er zweifelte die Richtigkeit der vor Jahren vorgelegten Zahlen an. Jedem Marktrat hätte auffallen müssen, dass zu niedrige Gebühren angesetzt gewesen seien. Das sei eine „Schlamperei“ gewesen. Die Fehler lägen im Rathaus, „aber der Bürger muss die Zeche zahlen“.
− F.: Brunner
Quelle: pluspnp.de —−Bernhard Brunner
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