„Niederbayerisch ist eine Geheimsprache.“ Diesen Satz kann Gaby Asselberghs absolut unterschreiben. Er stammt von Hofkirchens Hofladen-Chefin Marianne Eiglmeier, aus der Zeit vor sieben Jahren, als Asselberghs und ihr Partner Gerd Paulußen gerade aus Düsseldorf in die Donaugemeinde gezogen waren. „Jetzt nochmal für Rheinländer“ wurde das Gesprochene dann wiederholt, erinnert sich die 65-Jährige. Die Hofkirchner haben dem Paar die Ankunft in der neuen Heimat leicht gemacht.
Dass es Hofkirchen wird, war allerdings Zufall, erzählt Gaby Asselberghs. 2008 hat die Holländerin – ihr Vater ist Holländer, die Mutter Deutsche – ihren Beruf als Unternehmensberaterin an den Nagel gehängt und ging in Vorruhestand. Fortan engagierte sie sich ehrenamtlich in der Seniorenarbeit und bildete sich zum Thema Senioren und Demenz weiter. Mit dem neuen Lebensabschnitt stellte sich das Paar bald auch die Frage: „Bleiben wir im Rheinland oder ziehen wir um?“ Die Lust auf Neues war stärker. Als Ziel legten Gaby Asselberghs und Gerd Paulußen zunächst grob fest: „Da, wo andere Urlaub machen.“
Zur Debatte standen Ostsee, Harz, Bodensee, Emsland und Bayern.“Wir sind quer durch die Republik gereist“, erzählt Asselberghs, um verschiedene Häuser, die im Internet zum Verkauf standen, zu inspizieren. Irgendwann machte ihr Partner Gerd Paulußen Druck: „Wenn ich 65 bin, zieh’ ich nicht mehr um.“
Das neue Zuhausewurde bewusst gesuchtDas Paar hatte Kriterien für den idealen Wohnort festgelegt: Einkaufsmöglichkeiten sollten zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sein, außerdem legten die beiden Wert auf ärztliche Versorgung vor Ort. Und: Mit einem Hund muss man zu Fuß gut draußen unterwegs sein können. „Dafür ist die Donau ideal“, findet Gaby Asselberghs.
Hofkirchen machte das Rennen. Zunächst hatten die Beiden mit einem Bauernhof in Alleinlage geliebäugelt, „aber fürs Leben im Alter erschien uns das schwierig“. Das Heim, für das sich das Paar letztlich entschied, erfüllt alle Wünsche: Es liegt ruhig und idyllisch in Oberschöllnach, hat einen großen Garten, man ist schnell im Ort und zum Gassigehen an der Donau und: Es gibt „sehr, sehr nette Nachbarn“, bei denen sich das Paar mit einem „Wir sind die Neuen“ gleich vorstellte.
Schnell machten sich Gaby Asselberghs und Gerd Paulußen daran, in der neuen Heimat weitere Kontakte zu knüpfen und stürzten sich ins Hofkirchner Vereinsleben: „Nachdem wir beide Tennis spielen, sind wir als erstes dem Tennisclub beigetreten“, berichtet Asselberghs, Wander- und Gartenbauverein kamen dazu. „Ich habe die Niederbayern als sehr offene, freundliche, hilfsbereite Menschen kennengelernt“, sagt sie Holländerin. Auch im Einkaufsmarkt, beim Bäcker und Metzger gehe es familiär zu: „Wenn man ganz fremd ist, hilft das schon.“ Sie freut sich: Keiner der Hofkirchner habe gefremdelt. Im Gegenteil: Die Einheimischen hätten Interesse an dem Paar gezeigt, woher sie kommen, wie es sie nach Hofkirchen verschlagen habe? „Man merkt, dass man willkommen ist“, stellt Gaby Asselberghs fest, „das ist ganz wichtig.“ Und: „Fast alle Kinder grüßen hier, das ist total schön.“
Schäferhundmischling Alesia, der seit sieben Monaten zur Familie gehört, tut sein Übriges zur Integration von Herrchen und Frauchen. Beim Gassigehen und in der Hundeschule sorgt er für immer neue Kontakte.
Heute stellt Gaby Asselberghs fest: „Wir haben alles richtig gemacht, wir fühlen uns sauwohl hier.“ Den Umzug habe sie nie bereut, sagt sie, „das würde ich immer wieder so machen“. Es sei lebenswert hier, „man fühlt sich wirklich heimisch.“ Ins Rheinland, ihre alte Heimat, fährt die 65-Jährige zwar gern zu Familienbesuchen und Klassentreffen. „Aber ich bin immer froh, wenn ich wieder zuhause bin – in Hofkirchen.“ Gibt es denn gar nichts aus der alten Heimat, was sie vermisst? Doch, eins: die holländischen Fleischrollen, die „Frikandel“. „Danach hab’ ich erfolglos gesucht“, erzählt Gaby Asselberghs, „aber nun essen wir eben stattdessen Cevapcici.“
Auch ihren persönlichen Lieblingsplatz in Hofkirchen hat sie gefunden: auf dem Soldatenfriedhof in Leithen, wo man vom Gedenkturm aus weit über das Donautal blickt. Hier sitzt sie gern, lässt die Seele baumeln, denkt nach, freut sich an dem bunten Laub der Weinstöcke, die den Turm umranken: „Das ist so schön!“
Auf eine sympathische, herzlich-offene Art erzählt die Wahl-Hofkirchnerin ihre Geschichte. Als die Sprache auf die „Schatzkiste“ – ihr gemeinnütziges Flohmarkt-Projekt – kommt, ist sie kaum noch zu bremsen: 2017 hatte Gaby Asselberghs in einer Zeitschrift zufällig die Anzeige eines Gebrauchtwaren-Kaufhauses entdeckt – „eine tolle Idee“, wie sie fand. Auch beim damaligen Bürgermeister Willi Wagenpfeil rannte sie damit offene Türen ein. Mit seiner Hilfe konnten sie die Räume in der Garhamer Straße mieten. Die Gemeinde trage auch unter dem neuen Rathauschef Josef Kufner sämtliche Kosten für das ehrenamtliche Projekt, „so können wir jeden eingenommenen Cent spenden“, freut sich Asselberghs. Vermieter Roland Gotzler baute stabile Supermarktregale in den neuen Laden.
Anfangs war ihr Lebenspartner mit im Boot, stieg aber wieder aus. In der Seniorensport-Gruppe fand sich das Ehepaar Liane und Oskar Hahn, das fortan bereitwillig mithalf: „Jetzt machen wir Frauen den Laden, Oskar ist der technische Direktor“, erzählt Gaby Asselberghs zufrieden. Der Laden läuft gut, „ganz viele Leute bringen uns was“. Im Ort fanden sich weitere Frauen, die beim Säubern, Sortieren, Auszeichnen und Verkauf der gespendeten Ware helfen. So kann der gemeinnützige Gebrauchtwaren-Laden zweimal zwei Stunden pro Woche öffnen.
Ende Februar 2018 wurde gestartet, „bis zum Jahresende war es ein Testlauf“, berichtet die Initiatorin. Die Einnahmen wollte man an soziale Projekte in der Region spenden, etwa Frauenhaus, Hospiz oder Tierheim. Die Bilanz im Herbst ergab: „Wir machen weiter.“ 5000 Euro hatte das Schatzkiste-Team 2018 eingenommen, im Jahr drauf 12000, heuer ist man bisher bei 7500 Euro, das Ziel ist 15000 – „das schaffen wir trotz Corona“, ist Gaby Asselberghs überzeugt.
Über die „Schatzkiste“ entstanden ihr viele neue Kontakte innerhalb der Gemeinde: Leute, die das Projekt loben, sich darüber freuen oder sich Sorgen machen, wenn der Verkauf einmal nicht im Gemeindeblatt angekündigt wird, weil er ohnehin eine ständige Einrichtung ist. Und die Sache ziehe Kreise, „immer mehr Leute bringen sich ein. Das macht so viel Spaß!“, freut sich die Gründerin. Bis nach Passau und Plattling reiche das Einzugsgebiet.
Zum Abschied sagt sie: „Pfüat Eahna!“Als Corona kam, hat Gaby Asselberghs eine weitere Initiative gestartet: Sie rief einen Nähkreis ins Leben, um Masken herzustellen. „Ich hatte gelesen, dass die Stadt Landshut für jeden Bürger kostenlos eine Maske zur Verfügung stellt.“ Bürgermeister Wagenpfeil fand: „Das kann Hofkirchen auch.“ Gesagt, getan: „Selbst nähen kann ich zwar schlecht“, gesteht Gaby Asselberghs. Dafür kümmerte sie sich um das Material: Aus der an die „Schatzkiste“ gespendeten Bettwäsche nähten acht Frauen Masken. Inzwischen sei die Masken-Initiative abgeschlossen, berichtet die umtriebige Seniorin, aber der Nähkurs bleibe bestehen.
Das nächste Projekt ist schon in Planung: Im Oktober, wenn die Ersten bereits ans Christkind denken, soll es erstmals einen „Schatzkiste-Weihnachtsmarkt“ in der Hofkirchner Schulaula geben. Der für dieses Frühjahr terminierte Basar war Corona zum Opfer gefallen.
Gaby Asselberghs ist angekommen in ihrer neuen Heimat, ja mehr als das: Sie ist wohl für viele aus Hofkirchen nicht mehr wegzudenken. Und das, obwohl sie nach wie vor überhaupt nicht boarisch spricht. Immerhin klappe das Zuhören inzwischen ganz gut – ansonsten frage sie eben nach. Und: „Die Grußfloskeln ,Griaß di‘ und ,Pfüat di‘ kann ich inzwischen fast akzentfrei.“ Und so verabschiedet sie ihren Gast mit einem fröhlichen „Pfüat Ihnen“ – um sich im zweiten Anlauf zu korrigieren: „Pfüat Eahna!“ Eine Geheimsprache ist Niederbayerisch für Gaby Asselberghs jedenfalls nicht mehr. —-Friederike Gabriel