Die „Umeinander-G’roasten“


Diese traumhafte Aussicht aufs Donautal genießt Familie Greiler – (v.l.) Lukas, Stefan, Bennet, Lillian und Mareike – daheim jeden Tag. −F.: Gabriel

 

Hofkirchen

Die Aussicht ist umwerfend. Von der Terrasse schweift der Blick über den Hanggarten, Wiesen, Maisfeld und Wald bis hinunter an die Donau, die im Abendlicht golden leuchtet. „Meine Herrn! Solche Plätze gibt’s nicht viele“, stellt Mareike Greiler beeindruckt fest, als sie dieses Panorama zum ersten Mal sieht. 17 Jahre ist es her, dass sie (40) und ihr Mann Stefan (44) zufällig den kleinen Dreiseithof am höchsten Punkt des Hofkirchner Ortsteils Leithen entdeckt haben. Er stand zum Verkauf. Das Paar überlegte nicht lange, schlug zu und renovierte das Sacherl, um es dann erstmal zu vermieten: Stefan Greilers Job als Fluglehrer bei der Luftwaffe brachte Einsätze fern von Hofkirchen bis in die USA mit sich. Vor vier Jahren kam er schließlich mit der Familie zurück in seine Heimat, um zu bleiben. Außer es kommt doch noch anders.

Das Thema Fliegen hat Stefan Greiler von klein auf begleitet: „Ich bin in Albersdorf aufgewachsen. Dort haben wir ständig Flugzeuge starten und landen sehen“, erzählt er. In Osterhofen besucht er die Realschule, in Passau macht er den FOS-Abschluss. Ursprünglich mit dem Ziel, in Regensburg Maschinenbau zu studieren.

Der Wehrdienst eröffnet eine neue Option: die Ausbildung zum Kampfpiloten. „Ein Job, von dem die Jugend träumt“, sagt Stefan Greiler heute. „Ich wusste, das Auswahlverfahren ist schwer. Aber ich hab’s einfach probiert.“ Mit Erfolg: Greiler darf in Bayreuth den Dienst antreten. Die Zeit ist hart: „Ich war überall und nirgends zuhause, ständig gefordert. Das war irrsinnig, ein psychischer und körperlicher Test“, erzählt der heute 44-Jährige. „Aber damals, mit Anfang 20, war das genau das Richtige für mich.“

Stefan Greilers weitere Stützpunkte: Fürstenfeldbruck, Texas – und Wittmund in Ostfriesland. Der Ort, in dem seine Frau Mareike aufgewachsen ist. In einer Kneipe lernen sich die beiden kennen – „er war der erste Mann, den ich angesprochen habe“, erinnert sie sich. Nach dem Abitur geht die Ostfriesin nach Regensburg, macht eine Ausbildung zur Logopädin und studiert Sprachtherapie. Nach einigen Jahren Fernbeziehung kehrt Mareike zurück an die Küste, zu Stefan. Der bekommt 2005 das Angebot, als Fluglehrer in den USA zu arbeiten, und geht mit seiner Frau nach Übersee.

Insgesamt zehn Jahre, mit Zwischenstationen in Deutschland, verbringen die Greilers in Amerika. Dort sind auch ihre Kinder Bennet (10), Lukas (6) und Lillian (4) geboren. „Es war eine tolle Zeit, unter Obama und selbst unter Bush“, sagt Mareike Greiler. Auch wenn sie und ihr Mann mit der Trump-Politik hadern: „Die Zeit in den USA hat uns geprägt“, stellt Mareike fest. Greilers haben die Dienstleistungs-Mentalität der Amerikaner schätzen gelernt, sei es in Sachen Öffnungszeiten der Geschäfte oder Kinderbetreuung. Andererseits: „Die Rente ist nicht sicher, es gibt keine gesetzliche Krankenversicherung, die Hochschulausbildung der Kinder kostet ein Vermögen“, zählt Mareike Greiler auf. Und: „Die Familientreffen fehlen.“

2017 läuft Stefan Greilers Vertrag mit der Bundeswehr aus. Er kehrt mit seiner Familie zurück in die niederbayerische Heimat, in das Haus mit dem grandiosen Ausblick. Und mit Großeltern in der Nähe, die gern mal den Nachwuchs übernehmen.

Nach dem „behüteten Leben“ bei der Bundeswehr habe er beruflich eine neue Herausforderung gesucht, erzählt Greiler, und sich als Berufspilot selbständig gemacht. Bald entdeckt er für sich eine Nische im Flugbetrieb: die Ausbildung für Notfälle bei Zivilflügen. Unter seinen Schülern ist vom Anfänger bis zum alten Hasen alles vertreten. „Ich gehe sehr gern mit Menschen um“, sagt der Fluglehrer. „Es ist schön und spannend, die Schüler kennenzulernen, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihre Erfolge zu sehen.“

Albersdorf, Ostfriesland, USA, dazu all die Touren als Fluglehrer durch Süddeutschland, nach Tschechien, Kroatien, Italien, „wohin der Sprit halt reicht“: Als „Zuagroaster“ würde sich Stefan Greiler nicht bezeichnen: „Ich bin eher ein Umeinander-G’roaster.“

Mareike Greiler indes hat sich zuhause eine Praxis eingerichtet. Die studierte Logopädin ist auf Sprachtherapie bei Autismus und Mehrfachbehinderung spezialisiert. Inzwischen bildet sie selbst aus und gibt ihr Know-How an Logopäden, Pädagogen und Eltern weiter.

Ausgelöst hat diesen Berufswunsch Mareikes USA-Aufenthalt als Au-Pair nach dem Abitur: „In meiner Gastfamilie gab es ein Kind, das nicht sprechen konnte“, erzählt sie. Jemandem, der nicht sprechen kann, die Möglichkeit zum Kommunizieren zu geben, „ist der beste Job der Welt“, findet sie. „Ich selbst spreche sehr gern.“

Wie geht es der Ostfriesin mit dem bairischen Dialekt? „Sie ist Sprachtherapeutin“, merkt ihr Mann an. Bairisch zu verstehen sei kein Problem, bestätigt Mareike Greiler: „Ich kann mich nur an zwei, drei Mal erinnern, dass ich ein Wort nicht verstanden habe.“ Bairisch zu sprechen hat sie einmal probiert – um vom Schwager zu hören: „Das wird nix“. Seither hat sie den Dialekt sein lassen.

Für Hobbys und Ehrenamt bleibt den berufstätigen Eltern nicht viel Zeit. Dennoch: „Mich als Bürger einzubringen, gehört zu meinem Grundverständnis“, sagt Stefan Greiler. Er war Kandidat für die Marktratswahl, hat sich im Elternbeirat engagiert. Auch Mareike Greiler erklärt, sie stehe für letzteres Amt zur Verfügung. „Aber ich will dann auch was bewegen.“ Das Laufen hat das Paar aufgegeben, „seit wir auf dem Berg wohnen“, sagt Mareike Greiler. Dafür seien sie beide seit der Jugend begeisterte Motorradfahrer: „Wir genießen vor allem die Touren in den Bayerischen Wald.“

Ihr Mann, nicht nur ausgebildeter Kampfpilot und Fluglehrer, sondern auch gelernter Schlosser, tüftelt und bastelt zudem gerne. Stefan Greiler hat die alte Scheune des Sacherls abgerissen und wieder aufgebaut, hier schraubt und schweißt er nun nach Herzenslust an den Motorrädern herum. Dabei kann er durch große Fenster den Blick aufs Donautal genießen.

„Wir wollten nie in eine Großstadt“, sagt Mareike Greiler: „Uns gefällt die Ländlichkeit und dass die Leute einander kennen.“ Sie mag den „urigen, beschaulichen Dorfkern“. Schule, Kindergarten, die Autobahn ebenso in der Nähe wie der Bayerische Wald: „Wir haben hier alles, was wir brauchen.“

Die Greilers sind angekommen in Hofkirchen. Trotzdem: Die Zukunft halten sie sich offen. „Wir sind ja hier nicht festgewachsen“, stellt Stefan Greiler fest. Ihren Kindern wollen er und seine Frau mit auf den Weg geben: „Die Welt ist euer Spielplatz.“

Quelle: pluspnp.de   —Friederike Gabriel

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