Barrieren-Protest richtet sich an München und Berlin


Freude über einen Spendenscheck des VdK für das Handicap-Team des SV Hofkirchen: Lebenshilfe-Geschäftsführer Thomas Hofbrückl (l.), Landkreis-Behindertenbeauftragter und VdK-Kreisvorsitzender Willi Wagenpfeil (3.v.l.), Podiumsdiskussionsinitiator Wolfgang Bartl (6.v.l.), VdK-Kreisgeschäftsführerin Andrea Knott (7.v.l.), Jugendbeauftragte Marianne Graf (4.v.r.), SPD-Landtagskandidat Johannes Just (2.v.r.) und Hofkirchens Bürgermeister Josef Kufner (r.). −Foto: Brunner

 

 

Garham.

Hofkirchen. Sachlich Argumente ausgetauscht haben die Teilnehmer der von Wolfgang Bartl beim SV Hofkirchen einberufenen Podiumsdiskussion. Es ging im Vorfeld des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai darum, wie man Barrieren abbauen kann.

Die Kritik am schleppenden Abbau von Barrieren adressierten die Wortführer in erster Linie an die politisch Verantwortlichen in München und Berlin. Konkret laut wurde der Wunsch nach einem Behinderten-WC am Sportgelände. „Wir müssen einen Mehrwert schaffen, wo er benötigt wird“, erklärte Hofkirchens Bürgermeister Josef Kufner.

Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung

Der erwähnte Protesttag geht auf eine Initiative der „Aktion Mensch“ im Jahr 1992 zurück. Zentrales Thema sei die Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung. Das Treffen am Samstag in der SV-Vereinshütte wertete Wolfgang Bartl als eine Art Bestandsaufnahme. Zu seinem Bedauern hatte MdL Christian Flisek als Schirmherr am Vorabend die Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen. Als „Entschädigung“ ließ er eine Einladung zu einer Landtagsfahrt nach München mit Rahmenprogramm und Begleitung für die Inklusionsgruppe des SV Hofkirchen übermitteln. Voraussichtlicher Termin dafür: Juni.
Den Aktionstag nutzen, um die Öffentlichkeit auf das Thema hinzuweisen – das begrüßte SPD-Landtagskandidat Johannes Just. Der Leiter des AWO-Senioren- und Pflegeheimes in Vilshofen machte die Zuhörer auf das neue Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes mit guten Weichenstellungen aufmerksam. Für wichtiger hielt er jedoch die Inklusionsarbeit vor Ort und lobte in diesem Zusammenhang das große Angebot auf diesem Gebiet in Hofkirchen. Das Thema möglichst breit zu denken, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagte Johannes Just. Bei Lösungen sei es entscheidend, die Menschen vor Ort mit einzubeziehen, damit alle davon profitierten. Das Fazit des Landtagskandidaten: „Wir sind auf einem guten Weg.“

„Alle sind gefordert“

„Ich glaube, dass sich bei diesem Thema niemand wegducken darf. Alle sind gefordert“, betonte Bürgermeister Josef Kufner. Eine erweiterte Sichtweise zu Inklusionsfragen erachtete er als fundamental. Als Beispiel nannte Josef Kufner den unter seinem Amtsvorgänger Willi Wagenpfeil geplanten neuen Sitzungssaal in einem Anbau an das Rathaus, der jetzt barrierefrei zugänglich sei – „eine deutliche Erleichterung“. Auch in den zukünftigen städtebaulichen Maßnahmen werde man die Barrierefreiheit berücksichtigen. Keinen Hehl machte er aus Interessenskollisionen bei der Gestaltung von Straßen und Gehwegen – vor allem, was Hochborde und Bordsteine betrifft. Als „ganz tolles Vorzeige-Objekt“ führte der Bürgermeister die Bemühungen des SV Hofkirchen auf dem Sektor Inklusion vor Augen, konkret das sogenannte Handicap-Team. Dass die Marktgemeinde „die Hausaufgaben schon ganz gut gemacht“ hat, unter anderem bei der Gestaltung des Rathaus-Vorplatzes, betätigte Moderator Wolfgang Bartl.

Dass sich die Hofkirchener so intensiv mit dem Thema befassen, freute Thomas Hofbrückl, Geschäftsführer der Lebenshilfe Passau. Thomas Hofbrückl fokussierte das Engagement in seinem beruflichen Bereich vor allem auf Menschen mit geistiger Behinderung, wobei es vorrangig um die Sprache gehe, damit diese Personengruppe komplexe Zusammenhänge – dank der sogenannten leichten Sprache – verstehen könne.

Marianne Graf, mit Marktratskollegin Petra Söldner Jugendbeauftragte in Hofkirchen, stellte sich auch als Ansprechpartnerin für Kinder und Jugendliche mit Handicap vor. Zugleich kündigte sie einen Runden Tisch mit Betroffenen an. Ausdrücklich lobte sie die Unterstützung durch Bürgermeister Kufner.

„Viel Schwieriger, vorhandene Barrieren abzubauen“

In Doppelfunktion – als Behindertenbeauftragter des Landkreises Passau und als Vorsitzender des VdK-Kreisverbandes Vilshofen – beschrieb es Hofkirchens Altbürgermeister Willi Wagenpfeil als seine Hauptaufgabe, in den 38 Gemeinden des Passauer Landes neue Barrieren zu verhindern und bestehende zu beseitigen. Dazu sei er bei neuen Projekten im Hoch- und Tiefbau eingebunden, damit die Belange der Barrierefreiheit berücksichtigt werden. Allerdings räumte er ein: „Es ist viel schwieriger, vorhandene Barrieren abzubauen.“ Der Landkreis sei gerade dabei, die Thematik auf die einzelnen Gemeinden herunterzubrechen, so das alle Kommunen nun jeweils einen Behindertenbeauftragten installieren müssen. Wagenpfeil appellierte daran, bewusst im eigenen Lebensumfeld nach Barrieren zu schauen, die das Leben einschränkten. Er stehe immer für Anregungen zur Verfügung, versprach der Altbürgermeister, der ebenso den neuen Kooperationsvertrag zwischen dem VdK-Landesverband und dem Landkreis Passau zur Einrichtung einer speziellen Wohnraumberatungsstelle ansprach – seiner Überzeugung „ein ganz wichtiger Schritt, was die Beratungstätigkeit betrifft.“

VdK bietet Hilfe an

An die Kampagne „Weg mit den Barrieren“ des Sozialverbandes VdK erinnerte dessen Kreisgeschäftsführerin Andrea Knott. Unterstützung sicherte sie vor allem beim Stellen von Anträgen auf Basis des Sozialrechts zu und verwies auf die Homepage des VdK für detaillierte Informationen.
Im Verlauf der Diskussion sagte der Bürgermeister zu, die sozialen Hilfsangebote und Ansprechpartner noch besser darzustellen – sowohl im Gemeindeblatt als auch in digitaler Form. „Das Rathaus ist immer die ideale Anlaufstelle“, lautete seine Botschaft. Ebenso das Landratsamt mit der Zentralrufnummer 0851/3970, wie Willi Wagenpfeil hinzufügte. Dort erfolgten kompetente Beratung und Auskunft, außerdem natürlich in der VdK-Geschäftsstelle in Vilshofen. „Für alle Anliegen gibt es Spezialisten“, hob der VdK-Kreisvorsitzende hervor.
Aus Richtung der Inklusionsgruppe des SV kam der Wunsch nach einer Behindertentoilette am Sportgelände. Das Thema sei nicht neu, erwiderte der Bürgermeister, signalisierte aber Bereitschaft. Das Thema müsse aber wegen der vorbeiführenden Staatsstraße mit dem Staatlichen Bauamt abgesprochen werden. Zunächst wird laut Kufner an einer entsprechenden Verbesserung der Situation in der Ortsmitte gearbeitet, wo im Zuge der Planung für die Kaiserstraße eine öffentliche Toilette entstehen soll. Für den Sportverein prognostizierte der Integrationsbeauftragte Andreas Weber die Suche nach einer für alle befriedigenden Lösung.

Spendenscheck als Überraschung

Mit Blick auf öffentliche Fördermöglichkeiten erkannte Willi Wagenpfeil kein großes Problem bei der Umsetzung solcher Projekte – zum Beispiel auf Basis des Gemeindezusammenschlusses zur Integrierten Ländlichen Entwicklung oder über das Crowdfunding der Volksbank-Raiffeisenbank Vilshofen. Apropos Geld: Zur Überraschung aller hatte die VdK-Kreisgeschäftsführerin Andrea Knott einen symbolischen Scheck über 1000 Euro für das Handicap-Team des SV Hofkirchen mit dabei. Das Geld stammt aus dem Erlös der Haussammlung „Helft Wunden heilen“. Eigentlich sei es eine staatliche Aufgabe, finanzielle Mittel für Inklusion zur Verfügung zu stellen, monierte Johannes Just, der die Verantwortung dafür in den Parlamenten verortete.
Auf die lange Tradition der „Altenpolitik“ wies am Rande der Podiumsdiskussion der aufmerksam zuhörende Seniorenbeauftragte Anton Kurbatfinski hin. Er würdigte vor allem den Bürgermeister für die große Unterstützung der Seniorenarbeit.

 

Quelle: plus.pnp.de —−Bernhard Brunner

Mehr im Vilshofener Anzeiger vom  02.05.2023 oder unter PNP Plus nach einer kurzen Registrierung