Das Markenzeichen „Paul“ zeigt CEO Bernhard Wasner stolz in der Front des Wasserstoff-Lkw, der demnächst in die Nachbarschaft, zu Troiber nach Hofkirchen geht. Das Klimaaggregat für die gekühlten Lebensmittel wird ebenfalls mit Wasserstoff betrieben. − Fotos: Ehm-Klier
Albersdorf / Vilshofen
Wenn Bernhard Wasner den Schlüssel im Zündschloss umdreht, hört man – erst einmal nichts. Bernhard Wasner ist CEO der Paul Group aus dem niederbayerischen Vilshofen im Landkreis Passau. Und der Lkw, den er startet, ist kein herkömmlicher Diesel, sondern wird mit Wasserstoff betrieben. Der „PH2P Truck“ ist eine Entwicklung des niederbayerischen Mittelständlers, und die rund 500-köpfige Belegschaft ist mächtig stolz darauf, „denn es ist der erste deutsche Wasserstoff-Lkw in Serienreife“, sagt Wasner.
Jetzt könnte es also losgehen mit der CO2-Neutralität auch bei den Brummis. Doch dass sich die Paul Group auch im nächsten Jahr viel mehr aufs traditionelle Kerngeschäft, den Nutzfahrzeug-Umbau, konzentrieren wird, ist wirtschaftlich zwar beruhigend, „aber es würde halt noch mehr Spaß machen, wenn wir mehr Wasserstoff-Lkw liefern dürften“, sagt Wasner. Am Können des Mittelständlers sollte es nicht scheitern. Auch nicht an der Nachfrage.
Allein: die neue Technologie bekommt aus der Politik nicht den Schwung. Umso erstaunter ist die Branche, wenn, wie in dieser Woche geschehen, Politiker wie Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, oder der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, gegenüber unserer Zeitung die Hersteller von Nutzfahrzeugen in die Verantwortung nehmen und mehr Tempo bei der CO2- Neutralität bei Lkw fordern.
• Markenzeichen Paul. In Niederbayern wäre man soweit: Bernhard Wasner zeigt stolz auf das Markenzeichen „Paul“ in der Front eines der fertigen PH2P – steht für „Paul Hydrogen Power“ – in der Halle. Baldiger Eigentümer ist das Lebensmittel-Unternehmen Troiber aus Hofkirchen, quasi ein gewerblicher Nachbar, der seine Tiefkühl-Produkte an Gastronomie, Großküchen oder Kreuzfahrtschiffe nun klimaneutral liefern kann.
Der Wasserstoff-Truck wurde in zweieinhalb Jahren beim Familienunternehmen Paul auf der Basis eines „Atego“ von Daimler Truck entwickelt und gebaut und hat mittlerweile alle Zulassungshürden genommen. Stolz zeigt Projektleiter Florian Krompaß den Kfz-Schein. Im Feld „Hersteller“ steht schlicht Paul.
Ein kleines Feld im Dokument, ein großer Schritt fürs Unternehmen: „Als wir gestartet sind, wusste niemand von uns, wohin die Reise führen wird“, blickt Bernhard Wasner zurück, während er den Truck bei einer Probefahrt durch die herbstliche Landschaft zwischen Vilshofen und Deggendorf steuert. Seit langem haucht Paul ausgedienten Bussen bzw. Klein-Lkw durch den Umbau zum E-Fahrzeug ein zweites Leben ein und sammelte hier Erfahrung mit dem alternativen Antrieb. Wasserstoff mit Brennstoffzelle war nun der nächste Schritt der Entwicklung.
• Testfahrt über 1000 Kilometer. Ein horizontal verbautes Wasserstofftanksystem ist hinter der Fahrerkabine des PH2P verstaut. 30 Kilogramm Wasserstoff können innerhalb von etwa zehn Minuten mit 350 bar in die Behälter gepresst werden. Das dauert in etwa so lange wie ein Diesel-Tankstopp und reicht für knapp 500 Kilometer.
Und es funktioniert, bestätigt Projektleiter Krompaß und erzählt von über 1000 Kilometern Fahrt mit dem Test-Truck quer durch die Republik nach Papenburg in Niedersachsen und zurück. Tankstellen gibt es bereits in ausreichender Zahl, „das muss man halt planen“. Die Tests verliefen ebenso wie die Reise zufriedenstellend. Trotzdem und trotz der bereits erfolgten Straßenzulassung geht das Fahrzeug noch zusätzlich zu Daimler Truck zum Check. „Wir wollen alle zu 100 Prozent sicher sein“, sagt CEO Wasner.
• Serienfertigung. Die Technik ist das eine, das Fahren das andere. Und das ist, sagt der Fachmann, eine wahre Freude: „Durch den E-Antrieb ist ein ganz anderer Zug dahinter.“ Man kann sich problemlos bei leisen Fahrgeräuschen unterhalten, nur beim Bergauffahren stört sich Wasner selbst noch am Zischen, verursacht durch den Hochlauf der Kühlanlage der Brennstoffzelle. „Daran arbeiten wird noch“, sagt er.
Der PH2P-Truck ist ein „Nischenprodukt“, ein mittelschwerer Lkw, mit einem zulässigen Zuggesamtgewicht von 24 Tonnen. Und der erste Wasserstoff-Lkw aus deutscher Produktion. Daimler Truck hat ein Modell in Arbeit, „aber hat erst den Prototyp präsentiert“, sagt Wasner. Einzig der südkoreanische Fahrzeughersteller Hyundai hat bereits einen Lkw auf dem Markt, „das Tanksystem ist aber von uns“, so Wasner stolz.
• Schwerer und länger. Obwohl der PH2P keinen schweren Dieselmotor mehr hat, kein Getriebe, keinen Auspuff, bringt das Wasserstoff-Modell knapp eine Tonne mehr auf die Waage als sein Diesel-Bruder. Das geht zwar zulasten des Höchstgewichts, schwerwiegender ist für den Hersteller jedoch die Sache mit den 80 Zentimetern – die Tiefe des Wasserstoff-Tanksystems, weshalb die zulässige Gesamtlänge von 18,75 Metern um jene 80 Zentimeter überschritten werden müsste, um die für die Logistik standardisierte Ladefläche zu erhalten. Aber es darf nicht sein. Die ersten Kunden kommen mit der verkürzten Fläche klar. Aber: „Hier wäre die Politik am Zuge“, fordert Bernhard Wasner. Denn auch das bremst die Alternativen auf den Straßen aus.
• Kosten und Förderung. Und dann sind da auch die Kosten: Ein Wasserstoff-Lkw ist noch kein Massenprodukt. Wer CO2-neutral mit dem Truck unterwegs sein will, muss noch das Vierfache gegenüber der Diesel-Variante hinlegen, nämlich „zwischen 400000 und 450000 Euro gegenüber etwa 100000 Euro“, so Wasner. Auch Tankkosten sind bei 13,50 Euro pro Kilo und einem Verbrauch von rund 6 Kilo auf 100 Kilometer noch recht stolz gegenüber dem Verbrenner. Weil Nachhaltigkeit neuerdings aber auch in der Bilanz abgebildet werden muss, sind Unternehmen erpicht darauf, nicht nur ihre eigene Lkw-Flotte in Sachen CO2 einzubremsen, sondern auch die ihrer Zulieferer und Logistiker.
Hinzu kommt die anstehende massive Erhöhung von Lkw-Maut und CO2-Ab- gabe, von der nur CO2-freie Lkw befreit wären, wie der PH2P von Paul. Doch hier darf nicht mit Hochdruck produziert werden. Denn: Es gibt zwar ein Förderprogramm. Aber wer kaufen will, muss erst den Antrag beim Bundesverkehrsministerium einreichen, die Genehmigung abwarten – und darf dann erst ordern. Die Lieferzeit beträgt dann noch einmal in etwa ein Jahr. So wird der Hochlauf eher zum Hochkriechen.
Trotzdem: 25 PH2P-Trucks verlassen in den nächsten Wochen und Monaten die Werkhalle, darunter einer für Troiber, ein postgelbes DHL-Fahrzeug ist fertig, im Wasserstoff-Zentrum auf dem Werksgelände im Gewerbegebiet Albersdorf stehen Trucks für Bekleidungshändler C&A und das Bauunternehmen Bachl aus dem Landkreis Freyung-Grafenau.
• Tanken. Die Wasserstoff-Tankstelle gibt es: Sie befindet sich in Passau-Sperrwies, knapp 30 Kilometer entfernt, die erste ihrer Art in Niederbayern. In einer gut nachbarschaftlichen, unternehmerischen und persönlichen Freundschaft zwischen Firmengründer Josef Paul und Alexander Maier, Senior-Chef von Treibstoffhändler MaierKorduletsch, einem der größten Shell-Partner Deutschlands, ebenfalls aus Vilshofen, wurde kurzerhand das „Henne-Ei-Prinzip“ gelöst: die einen bauen die Lkw, die anderen sorgen für die Betankung. „Wir haben geliefert“, betonen beide Unternehmen und bedauern das Ruckeln im Anlauf.
• 25, 100 oder 150 Stück? Auch wenn der Bau des PH2P viel Spaß in die Werkstatt bringt, „wir wissen nicht, wie viele wir nächstes Jahr bauen dürfen – 25, 100 oder 150?“, bedauert Wasner. Paul peilt eine Jahresproduktion von 500 Trucks an. „Die Auftragsbücher nächstes Jahr sind voll“, betont der CEO und zeigt auf die Reihe der Brummis, die zum Umbau bereitstehen – alle mit Dieselmotor.
Der Wasserstoff-Tank: Sechs Flaschen fassen 30 Kilogramm. Das System arbeitet auch im Hyundai.
Eine kleine Zeile im Dokument: Als Hersteller wird „Paul“ in der vierten Zeile des Kfz-Scheins aufgeführt.
Quelle: pnp.de —−−Regina Ehm-Klier
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