Alles nur gemalt: Stefan Bircheneder und seine außergewöhnliche „Werksführung“
Die „Werksführung“ von Stefan Birchenender im Spital Hengersberg bietet neben dem ambivalenten Titel eine einzige Illusion. Bei den „Duschkabinen“ (330 x 90 x 220 Zentimeter, 2023) in der Ecke des Sonderausstellungsraumes sind nur die beiden Duschvorhänge echt. Die drei Duschkabinen bestehen aus 14 Leinwänden (mit Öl/Acryl bemalt), die Fugen der hellblauen 15 auf 15 Zentimeter großen Fliesen hat der Künstler mit dem Malstock gezogen.
Bircheneder, der in Hofkirchen (Landkreis Passau) und Regensburg lebt und arbeitet, hat mittlerweile den Ruf des „Spindmalers“. Assoziationen wie „Shabby Look“ und „Lost Places“, wie zum Beispiel beim Ölbild „Nulldiät 1“ (2021) kommen beim Betrachten der ca. 40 Werkstücke auf. Relikte aus der Arbeitswelt wie Schließfächer, ein Rollschrank (samt gemaltem Griff) oder eine Werkbank und ein Stuhl (mit Metallfüßen) – alles aus Leinwänden zusammen montiert – gelten mit fotorealistisch gemalten Gegenständen wie Putzmitteln, Sporttaschen oder Tennisschlägern und -schuhen als Metaphern für die Nutzer.
Was die Technik angeht, greift der 50-Jährige auf seine langjährige Erfahrung als Kirchenmaler und Restaurator zurück. Im barocken Ambiente hat er mit der Lasurtechnik echten Marmor vorgetäuscht. Jetzt bildet er ab, was nicht mehr wertvoll erscheint: angeschrammte, verbeulte und angerostete Spinde, die er mit grau-grüner Farbe imitiert. Retro-Nostalgie steckt im Detail mit Aufklebern wie „Mutter fährt jetzt auch zur Kur“. Nur eins ist original: Die Metallfüße, auf denen die „Leinwand-Spinde“ ruhen. Die entrostet Bircheneder erst und malt danach wieder „Rost“ drauf. Als Thema mit Variationen erweist sich die „Leitz-Kultur“, die auch Augenzwinkern erlaubt: Alles ist nur gemalt, sogar die „Sechsämtertropfen“-Flasche, die sich hinter den Akten und dem gemalten Paperback „Alkohol am Arbeitsplatz“ versteckt.
Quelle: pnp.de —− Josefine Eichwald
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